„Mit dir würde ich Pferde stehlen!“ ODER: Die Sache mit der Mauer

Normalerweise treffe ich mich ja erst mit jungen Männern ab 20, doch dieser 19,5 Jährige hatte es auf einer Erotikplattform geschafft, meine Neugier zu wecken. Und so kam es, dass innerhalb kürzester Zeit (beginnend mit letztem Mittwoch, also vor 6 Tagen) ein langer, intensiver Mailkontakt entstanden war, wo wir gegenseitig neugierig aufeinander wurden.

Heute haben wir uns zum ersten Mal zu einem Kennenlernspaziergang getroffen. Er gehörte mal zur Abwechslung, zu der aktiveren, lebhafteren Sorte, im Vergleich zu den sonst so ruhigen, schüchternen jungen Männern die ich treffe.

In einer seiner Nachrichten an mich hatte er voller Euphorie geschrieben gehabt:

ER: „Mit dir würde ich Pferde stehlen.“
ICH: Das würdest du? Ach ja? OHNE mich vorher persönlich kennengelernt zu haben? Das bezweifle ich…. (Meine Skepsis rührt daher, weil ich schon mehr mit „Schleimern“ und „Dampfplauderern“ zu tun hatte als mir lieb ist.)

ER: Dass Du mit „Dampfplauderern“ zu tun hattest, tut mir leid. Ich werde selbstverständlich schauen, dass es im normalen Rahmen bleibt. Ich würde mit dir „Pferde stehlen“ eben WEIL ich dich noch nicht getroffen habe. Weil das meiner Erfahrung nach zusammenschweißt.

Interessanter Ansatz.

Seine erste Nachricht an mich hatte unter anderem folgenden Inhalt:

„Hi Mina,

also vom Profil her bist du eine der interessantesten Personen, die man sich vorstellen kann ^^
Normalerweise pflegen es andere Menschen, mich als solche einzuschätzen: Gewohnheitsmensch, Kuschelfan, einzigartig sein und eine höchst präzise Vorstellung, was man will – Das wären Begriffe, die auch mich ausmachen.

Ich glaube, du bist nicht, wie die anderen Leute, sondern affektierter, lebensfroher und definitiv selbstreflektierter…
Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich es schätze, auch nur die Gelegenheit zu haben, mit einer Person wie dir zu schreiben  […]“

Später kam dann mal von ihm in einer Nachricht: „Ansonsten hast du (wie ich es mir bereits dachte) unkonventionelle, weise Ansichten… Wieso weise? Weil du das Leben genießt und dir dabei dein niveauvolles Auftreten behalten hast. Nach dem Interview fand ich dich schon ziemlich toll… Wirklich jetzt…“

(Anmerk: bezüglich meines damaligen Radio-Interviews – ab Min, 7: „Martina“: vocaroo.com/6uEUs9fD54q)

Na jedenfalls verwies ich ihn darauf, nicht ZU euphorisch zu sein, denn man wisse schließlich nie, wie es dann in echt ist und wie dann die Sympathie und Chemie vor Ort ausfallen.

Heute war es dann so weit und es war „ernüchternd“.

Wie (fast) immer hatte ich vorab nur ein Körperbild von ihm gesehen, weil ich mich grundsätzlich mit dem Gesicht gerne überraschen lasse. Wir fanden uns gleich am vereinbarten Treffpunkt und ich erhielt eine Umarmung, aber kein Lächeln von ihm – was mich grundsätzlich schon mal irritierte.

Vorab per Mail hatte ich vorgeschlagen gehabt, dass wir eine Runde im Wasserpark spazierengehen können und/oder in ein nahegelegenes Café. Er entschied sich dazu, erstmal spazieren zu gehen. Es war kalt, aber für mich aushaltbar, da ich dick eingepackt und auf den Spaziergang demnach gut eingestellt war. Und es war gut so, dass wir zuerst spazieren waren, auf Grund folgender Situation:

Er hatte sich dazu entschlossen, das Gespräch mit „Wie geht’s?“ zu starten und das ist für mich ein absolutes Rotes Tuch (red flag!). Ich brachte meinen Standardsatz: „Abgesehen davon, dass ich diese Frage hasse, ganz gut.“ Doch er hatte nichts besseres drauf zu sagen, als :“Ja ich weiß, aber…“ Ich meldete ihm rück, ob er mich provozieren wolle, dann könne ich mich gleich umdrehen und wieder gehen und er rechtfertigte sich damit, dass es ihn wenn er das fragt, wirklich interessiere, wie es um mein Befinden steht – und es nicht nur so eine Floskel ist. Danach schwenkte er um auf ein anderes Thema doch in meinem Kopf gab es nur noch: „JA ICH WEIß!“ Boa ey!

Damit hatte er es geschafft, dass innerlich bei mir eine Wand hochgefahren war. Der Ofen war aus, bevor er überhaupt richtig angegangen war. Ich hatte dicht gemacht und es war für ihn nicht mehr möglich, zu mir durchzudringen. Ich blieb sachlich, höflich, aber reserviert. Demnach war ich relativ ruhig und es lag an ihm, das Gespräch voranzutreiben. Es gelang ihm auch ganz gut – auch wenn mich 70er Jahre Musik eher weniger interessierte.

Am Rückweg fragte er mich dann, ob ich denn immer mehr so der ruhige, zuhörende Typ sei und ich erwiderte, dass dies personenabhängig ist und – wahrheitsgemäß – dass mir unser schlechter Start immer noch nachhängen würde, weshalb ich da eine imaginäre Wand hochgefahren hätte, die wohl doch nicht so imaginär sei, wenn er das irgendwo auch mitbekommen hat auf Grund meiner Reserviertheit. Daraufhin hatte er nichts besseres zu sagen, als: „Ja wenn die Menschen nur imaginäre Wände bauen würden…“ und sprach dann das Thema mit der Berliner Mauer an… ging überhaupt nicht mehr auf mich ein, sondern nahm es hin und konnte nicht verstehen, wie so eine Aussage, mich so sehr aus der Bahn werfen hatte können. Er nahm es aber als gegeben hin und mir kam es so vor, als hatte er die Situation, den Kontakt mit uns damit abgeschrieben.

Ihm wurde langsam kalt (nach gut einer Dreiviertelstunde spazieren) und dann wollte er wissen: „Und wollen wir uns dann noch ins Café setzen?“ Ich erwiderte, dass „wir“ hier die falsche Formulierung sei und erklärte ihm, dass ich angesichts der Umstände nicht ruhig sitzen könne. Ich sei innerlich noch viel zu aufgebracht und würde es nicht aushalten, da auf einem Sessel zu sitzen. Daher gab es für mich nur die Möglichkeit: Entweder wir belassen es bei diesem Spaziergang oder wir spazieren noch ein wenig geradeaus. Es läge an ihm. Er hatte sich dann für noch ein wenig Gehen entschieden und er kam von einem Thema ins nächste, aber es wirkte, als sei sein Stolz, sein Ego irgendwo gekränkt und er würde nur noch reden um zu reden. Als ich ihn klar drauf ansprach, ob denn sein Stolz gekränkt wäre, weil ich bisher nicht mit ihm warm geworden bin, verneinte er – aber es wirkte halt nicht authentisch auf mich.

Zurück bei der Bahnstation wo wir uns getroffen hatten, meinte er noch: „Ich muss jetzt da lang, also mach’s gut“ und weg war er, ohne Blickkontakt, ohne dass man sich trotzdem für die gemeinsame Zeit oder die Chance des Kennenlernens bedankt, einfach weg. Das empfand ich als sehr unhöflich. Fast schon wie „Mit’m Arsch ins Gesicht fahren.“ Und das zeigte mir dann wiedermal: Schreiben (voller Euphorie) kann man viel, doch wie man sich letztendlich persönlich verhält, ist das Entscheidende.

Ich hab schon die Erfahrung gemacht, dass es manche Leute gegeben hat, die das mit der Mauer (als das auch bei ihnen in anderen Situationen der Fall war) als Herausforderung gesehen haben, es als Ansporn genommen haben, um konstruktiv damit zu arbeiten, ehrlich bemüht waren auf mich einzugehen, die Geduld hatten, zuversichtlich waren, dass es auch noch anders geht, doch bei ihm war das einfach null der Fall und das zeigte mich auch wieder einmal mehr : So toll er auch beim Schreiben gewirkt haben mag, so sehr er sich auch mit Weiterbildung, Persönlichkeitsentwicklung und Ratgebern beschäftigt haben mag, trotzdem darf er noch „nachreifen“ und da noch einiges dazulernen – wenn er wollen würde.

Dadurch, dass ich jedoch ohnehin nach heute eh auch nicht will, weil ich gemerkt hab, dass wir zu verschieden sind, ohne jegliche Bereicherung für meinen Freundeskreis, seh‘ ich diesen Kontakt nun als vorbei und jeder lebt sein Leben weiter. Auch gut. (So viel also zu dem „gemeinsamen Pferde stehlen“…) Immerhin gibt’s ja noch andere. (Wie den persisch-sprechenden jungen Mann (24) mit den lächelnden Augen, aber das ist wieder eine andere Geschichte…)

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