„Wer bist du und wie bist du so geworden?“

Ein Wiener (24) schrieb mir folgendes: „Das was ich hier alles lese ist interessant für mich und macht mich neugierig deine Ursprungsgeschichte zu erfahren. Wie bist du die Person geworden, die du jetzt bist? Wie warst du früher? Was waren deine Bewegungsgründe dich zu ändern? Wie war dein Weg vom Anfang bis Heute? Was willst du noch erreichen?“

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Sie war die Kleine auf dem Schulhof, der keiner Briefchen schreibt.
Das zahnbespangte-Lächeln, das immer unerwidert bleibt.
Dessen Name niemals fällt, wenn man Sportmanschaften wählt – chancenlos.

Eine Schleife unter vielen, dessen Knoten niemals hält
dessen Brötchen eigentlich immer auf die Butterseite fällt
damals hat sie dich gewollt -mehr als alles auf der Welt – chancenlos.

Geschminkt am Freitagabend, allein bei sich zu Haus.
Eine, die den ersten Kuss mit ihrem Kissen üben muss – chancenlos.
Damals hat sie dich geliebt, mehr als alles was es gibt – chancenlos.

Ein dummer Teenagertraum – jetzt wird er wahr.
Warum erst jetzt und nicht als sie 16 war?

Hier die Worte (nicht aus meiner Feder, aber dennoch einfach SO WAHR – denn GENAU SO war es bei mir) in vertonter Form:

 

Wer war ich?

Ich war schon immer ein sehr feinfühliges Kind, sensibel, gespürig und doch musste ich lange Zeit unbewusst „dicht“ machen, um meine Kindheit und Jugend zu „ertragen“ (zusammengeschlagen, gemobbed, beschimpft, erniedrigt,… z.B. „du bist so fett, so hässlich, dich will ja eh keiner!“ „Du bist dumm, unfähig und eh zu nichts wert!“ Mir wurde es so lange von außen eingeredet, bis ich es wohl irgendwann selbst geglaubt und übernommen hatte..). Das „dicht machen“ in Form von Übergewicht und abschotten von der Sensibilität („Hör auf zum heulen! Ma, jetzt heult’s schon wieder!“) Ein Schutzmechanismus, der mir geholfen hat zu „überleben“.

Was wurde aus mir?

Aus mir wurde ein Teenager, dessen „Rebellion“ es war, sich als Goth schwarz anzuziehen und gegen die bunte, oberflächliche „Spaßgesellschaft“ einen Kontrast zu bilden. Ich flüchtete mich in die Melancholie, badete regelrecht darin, schrieb seit ich 13 bin, Unmengen an Gedichte. Gedichte schreiben war mein „Ventil“ – da konnte ich alles reinpacken was ich war, was ich mir wünschte, wovon ich träumte und was ich erlebte.

Ein einziges Mal schrieb ich ein suizidales Gedicht, ohne mich jedoch wirklich umbringen zu wollen, sondern es war eine Form von „Hilfeschrei“, ein Ventil. Ein Ausdruck meiner Seele die schrie. Nur wenige Menschen sind in der Lage wahre Melancholie nachvollziehen zu können, ohne sie mit Depression zu verwechseln oder sie überhaupt kennengelernt zu haben. Ich fühlte intensiv, wollte intensiv leben, doch konnte nicht, durfte nicht, und so konnte ich alles nur in meine Gedichte packen und musste weiterhin im elterlichen Elfenbeinturm leben.

Meine liebe Brieffreundin aus Vorarlberg – damals selbst ein Goth – nahm mich mit in ihr Stammlokal, zeigte mir die Gothic-Szene und ich fand dort – unter all den „schwarzen“ Menschen, mein seelisches Zuhause. Dort fühlte ich mich verstanden, angenommen fühlte mich frei.

Alkohol und Drogen rührte ich nie an. Ich habe bis heute noch NIE einen Rausch gehabt und probierte erst mit 21 meine erste Zigarette. Alkohol ging mir einfach nicht die Kehle runter und ich sah nicht ein, dass ich etwas trinken soll, was mir nicht schmeckt. Beim Rauchen war es dass ich aus Protest nie Opfer eines Gruppenzwangs sein wollte und ich wurde es zum Glück auch nie. Angeboten wurde es mir immer wieder, doch ich lehnte dankend ab.

Mit 15 wurde ich zusammengeschlagen. Besser gesagt ich habe mich zusammenschlagen lassen – damit es aufhört. Damit ich endlich körperliche BEWEISE habe. Und die hatte ich dann. Ich lag eine Woche deshalb im Krankenhaus mit diversen Blutergüssen, Rippenprellung,…. Es musste einmal einen großen Knall geben, damit es vorbei war und so war es dann auch. Mit 15 hatte ich mir nach diesem Vorfall meine gewünschten Freiheiten „erkämpft“, indem ich „Macht mit Ohnmacht bekämpft“ habe (lange Geschichte, die hier in dem Rahmen ausführlich geschildert definitiv „zu viel des Guten“ ist).

Als ich mit 16 in die Gothic-Szene kam, war ich viele Jahre danach der Meinung, als Frau könne man nie genug schwarze Klamotten besitzen. Doch ich irrte. Man kann doch – denn ich entwickelte mich weiter.

Vom Goth zur Zebra-Phase

Im Laufe der Jahre war es für mich schön ein Goth zu sein. Ich fühlte mich seelisch angekommen und aufgehoben in dieser Szene – wie eine zweite Familie. Ich freute mich immer über neue Leute, die ebenfalls schwarz-gekleidet waren, denn ich fühlte mich dadurch gleich mit ihnen verbunden.

Doch irgendwann, als ich etwa 21, 22 war, überkam mich eine Zebra-Phase und Möbel, Deko, Gewand, alles musste im Zebra-Look sein. Vom Haarfön bis zur Pinzette sammelte ich alles zusammen, was ich dazu finden konnte. Von dem her fiel es meinen Freunden leicht, mir etwas zum Geburtstag zu schenken. ^^

Bevor es so reicht mit meiner Zebra-Phase losgegangen war, war ich jedoch erstmal – bedingt durch meinen zweiten Freund – in eine Depression gerutscht. Das war eine der härtesten Zeiten für mich die ich durchzustehen hatte.
Und in dieser Zeit konnte ich schwarze Klamotten nicht mehr sehen, nicht mehr tragen. Es ging nicht. Sie zogen mich zu sehr runter. Das ging nur, als es mir gut gegangen war, da war ich dafür „stark genug“. Wenngleich ich heutzutage mehr äußerlich zeige, dass ich ein Goth bin, so werde ich doch in meinem Herzen, in meiner Seele stets ein solcher bleiben. Die Gothic-Seite ist einfach ein wesentlicher Teil von mir – wie mein inneres Kind.

Doch nach der Trennung von dem Freund damals, kehrten meine Lebensgeister wieder zurück und ich entwickelte ein Faible für das Zebra-Muter. Doch auch diese Phase ging vorbei – interessanterweise mit der Trennung von meinem vierten Freund – danach konnte ich Zebra irgendwie nimma sehen. Es musste weg, weg, weg und mich zog es nur noch zu grün hin. Grün! Jetzt musste ALLES in Grün sein! Ich wollte baden in grün! Ich wollte mich am liebsten in einem grünen Raum, auf einem grünen Teppich wie eine Katze hin und her rollen!

Irgendwann kam dann Gelb dazu und dann wurden Gelb und Grün zu meinen Wohlfühlfarben auserkoren. Dies war auch eine lange Phase. Dann ging es mir Pink weiter! Sogar meine Haare wurden schließlich Pink.

Rückblickend betrachtet haben die Farben meinen seel. Heilungsprozess wiedergespiegelt und waren wichtig für meine Erholung und Genesung. (Zum Beispiel ist Grün die Farbe der Natur, des erwachenden Frühlings und symbolisiert unter anderem Fülle, Wachstum, Neubeginn und Aufstieg.)

Wie bist du die Person geworden, die du jetzt bist?

Durch Entwicklung und Erfahrungen…

Was waren deine Bewegungsgründe dich zu ändern?

Ich vermutlich der Wille dahinter… ich wollte mich stets weiterentwickeln, war stets neugierig, wissbegierig und bin es bis heute geblieben.

Wie war dein Weg vom Anfang bis Heute?

Mal schwerer, mal leichter, mal sehr steinig, mal von Depression geplagt, dann wieder ein Auftrieb und letztendlich hatte mich dann – wie ja einige Leser wissen – 2016 ein Burnout erwischt. Und weil es so schön war, bin ich 2017 auch nochmal rückfällig geworden…

Doch seit 2018 – und es war ein LANGER WEG bis dahin, geht es kontinuierlich bergauf, sodass ich endlich mein Leben genießen kann – und dafür bin ich sehr dankbar.

Zur Unterstützung ziehe ich auch immer mehr Menschen an, die mir dieses positive Lebensgefühl spiegeln und mich darin unterstützen. Wahre Herzensmenschen. ❤

Ich wäre gewiss nicht die, die ich heute bin ohne dem allen.
Das alles ist Teil MEINER Geschichte und ich schreibe sie weiter – denn ich bin mir sicher, es gibt noch VIIIIIIELES zu schreiben, berichten und mit euch zu teilen. 🙂

Was willst du noch erreichen?

Glücklich, gesund und zufrieden alt zu sein mit den lieben Menschen, die ich mir über all die Jahre als Wegbegleiter an meine Seite geholt habe.

2 Gedanken zu “„Wer bist du und wie bist du so geworden?“

  1. Wow, toll geschrieben, danke dass du das teilst. Ich habe mich in sehr vielen Dingen wiedergefunden. Das Schreiben ist, glaube ich eine sehr gute Selbsttherapie und Reflexion, sollte jeder der es kann für sich nutzen. Ich würde sogar behaupten, dass mir das Schreiben das Leben gerettet hat. Schön, wenn man auch so gut wie du zu sich selbst steht. ❤️

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