Guter Sex, schlechter Sex, zu hohe Erwartungen und die Sache mit dem Slow Sex

Ilan Stephani hat zwei Jahre lang in einem Berliner Bordell gearbeitet. Sie berichtet in der TAZ 2017 (https://taz.de/Ex-Prostituierte-ueber-Sex/!5452370/):

„Männern geht es in dieser Gesellschaft sexuell so grottenschlecht. Schlechter als Frauen, denn anders als Frauen wissen sie gar nicht, was ihnen fehlt. Wenn das Abspritzen in Frauen, die ihnen etwas vorspielen, der Höhepunkt ihres sexuellen Lebens ist – wie traurig ist das denn? Der Puff ist ja nur das Symptom für diesen armen Sex, den wir haben.

Was ist denn armer Sex – und was ist reicher?

Das Arme ist, dass wir uns verzweifelt danach sehnen, einander im Sex zu berühren und glücklich zu machen. Und dass wir es nicht schaffen. Frauen faken Orgasmen, das ist nicht nur ein lustiges Thema für die Klatschpresse. Das ist jedes Mal eine verfehlte sexuelle Kommunikation. Und Männer sagen: Das, worauf du Lust hast, sorry, da schlafe ich ein, ich brauch was Geileres. Da sind so viele falsche Vorstellungen. Penis muss in Vagina, das ist so eine enge Vorstellung von Sexualität. Und dann noch in der romantischen Zweierbeziehung. Das haben Hollywood und die Pornoindustrie dann kommerzialisiert. Aus diesen falschen Bildern entstehen sexueller Missbrauch, sexuelle Traumen von Frauen. Und all das lastet auf unserem Sex.

Nun kann man sagen: Kismet, so ist unser Sex geworden, nun müssen wir uns damit durchwurschteln. Sie denken, es sei noch etwas ganz anderes möglich. Was wäre das?

Der richtige Sex muss befreit sein von Definitionen, die uns Stress machen. Gedanken wie „Sex ist gut durch eine Erektion“, das macht Stress. Wir wissen gar nicht, wie wir unsere Sexua­lität schützen können vor diesen Definitionen. Ich habe zum Beispiel irgendwann Slow Sex entdeckt. Wir haben stundenlang zusammengelegen, ein ultraentspannter kleiner, unerigierter Penis in einer ultraentspannten Vagina. Da passierte lange nichts – außer dass mir das Bein einschlief und meinem Freund der Rücken wehtat. Aber nach mehreren Versuchen kam eben doch etwas, und das war viel besser als alles, was wir je erlebt hatten. Wir hatten unsere Genitalien wieder empfindsam und sensibel gemacht. Ich hatte meinen ersten vaginalen Orgasmus. Ja, meine lieben vorherigen Sexualpartner, den ersten!“

Auch ich habe schon lange die Vorteile von „Slow Sex“ entdeckt, bevor es überhaupt diese Bezeichnung dafür gab. Demnach kann ich mich ihren Aussagen von oben anschließen. Es muss nicht immer nur dieses „Rein-raus-Genudle“ im Vordergrund stehen, dass es erotisch wird. Es gibt so viel mehr als das. Und wieder einmal kann ich sagen, dass hierbei eben Pornos einen falschen Eindruck von Sexualität vermitteln und es in der heutige Zeit Tinder, C-Date und Co nicht besser machen.

Mein letztes Treffen mit einem jungen Mann (22) war sooo schön! So harmonisch, so ein enspanntes Wiedersehen (diesmal statt der Donauinsel bei sich zu Hause in NÖ). Ich hab mich wohlgefühlt, er hat sich wohlgefühlt, es war supergmiadlich und alles lief rund. Es gab keinen Moment wo ich mich unwohl gefühlt hätte oder dass er zu weit oder wenig weit gegangen ist. Es hat genau gepasst. Angefangen beim Kuscheln mit ihm im Bett, weiter mit’m Knutschen und dann wurde es auch intim, indem unsere Klamotten (bis auf die Unterhose und Boxershort) weggefallen waren und wir uns am Körper gestreichelt haben, er hat meine Brüste sanft geknetet und auch an den Brustwarzen geleckt und ich bin mit meinem Mund dann in seinem Intimbereich gewandert und hab „ihn“ mit der Zunge verwöhnt. Keiner von uns hatte innerhalb der ca. 3 Stunden einen Orgasmus und keiner von uns beiden schien wirklich das Bedürfnis nach „Vollendung“ gehabt zu haben. Ich bin orgasmuslos völlig entspannt und vollgepumpt mit Oxytocin wieder nach Hause gefahren.

Als wir zurück zum Zug spazierten, bat ich ihn noch um Feedback und um Anmerke, weil es mir lieber sei, etwas direkt zu erfahren, als es erst irgendwann per Sms oder Mail hinterhergebuttert zu bekommen. Also wenn es was gäbe, dann bitte direkt.  Doch er hatte mir nichts zu sagen, außer dass es sehr schön gewesen sei, er es auch sehr genossen habe und er mich gerne bald wiedersehen würde.

Was macht also Sexualität aus?
Für mich ist es eine Mischung aus einer physiologischen, kognitiven, emotionalen Komponente und ebenso wie man es vermag, in Beziehung mit dem potentiellen Sexualpartner zu treten. Es geht um Wahrnehmung von Erregung und Lustempfinden, Begehren und Verführung  und wie man das Beste für sich und seinen Partner damit rausholen kann, sodass es beiden danach gut geht und sie eine schöne, gute, angenehme Zeit – bestenfalls jedoch eine tolle, intensive, erfüllende und leidenschaftliche Zeit – miteinander hatten.

Wann ist für mich Sex guter Sex?
Wenn die Voraussetzungen stimmen und es die richtige Mischung aus Zärtlichkeit und Leidenschaft gab. Aber zuerst braucht man einen Ort, an dem sich beide wohlfühlen und entspannt die Sache angehen können. Des weiteren sind es Gerüche die beide gut finden und somit bestenfalls anturnen (die viel zitierte Chemie macht’s für mich überhaupt erst möglich),  sowie gutes Küssen, dass dann übergeht in leidenschaftliches Küssen, sodass man „mehr“ will und sich näher spüren möchte. Ohne Küssen geht bei mir nix. Küssen gehört für mich einfach dazu. Ist das Küssen mies, wird der Ofen auch nicht angeheizt und es läuft nix. (Also wenn sich Männer bei mir um etwas vorab den Kopf zerbrechen sollten, dann ist es die Sache mit dem Küssen und nicht, ob sie gut im Bett sind/waren.) Ist das Küssen gut, ist ein wichtiger Schritt gesetzt, sodass es dann zu mehr führen kann.

Und wenn es dann so weit ist, müssen für mich die Geschlechtsteile zueinander passen. Ich hab eine große, weite Muschi, die sehr schnell SEHR feucht werden kann. Ergo brauche ich dann (ja, BRAUCHE!) eine gewisse Centimeteranzahl in Länge und Durchmesser, dass ich was spüre – denn durch die Feuchtigkeit findet bei mir sonst, wenn er zu klein ist, nicht genug Reibung statt. Das ist dann wie wenn man ein Essiggurkerl in ein Spargelglas stecken möchte – das harmoniert nicht, gibt keine Reibung her. Und die intrinsische Reibung ist für mich erfüllend und gehört da einfach dazu um von erfüllendem, guten Sex sprechen zu können.

Orgasmus? BRAUCHE ich einen Orgasmus? Nein, nicht so dringend wie jene anderen Frauen, die sich beklagen kaum bis nie einen Orgasmus beim Sex zu haben. Klar im Idealfall ist mein Orgasmus (oder sind meine Orgsasmen) durchaus erfüllend, aber für mich stehen diese nicht zwingend immer im Vordergrund. (Es hängt für mich vom Erregungsgrad ab, ob ich kommen will/es brauche zu kommen oder nicht – aber „schlimmstenfalls“ mach ich es mir dann einfach noch mit der Hand selbst oder bitte um „Hilfe“ im Sinne von Penetration mit den Fingern.)

Der Abschluss – nach dem Sex: das Schlimmste was Mann da meiner Ansicht nach tun kann ist: Sich anziehen und gehen. Würd ich auch nicht tun. Ich bin die klassische „danach“-Kuschlerin um es ausklingen zu lassen. Ich liebe hierbei den englischen Begriff „afterglow“. *-* Es kommt z.B. in dem bekannten Lied von Melanie Thornton I love how you love me vor:

„What am I gonna do?
What am I gonna say?
Lying in the afterglow
You took my breath away
And I can’t believe it
[…] „

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